Buoux
FrĂŒhjahr. In einer Woche fahren wir nach SĂŒdfrankreich. Die Vorfreude ist kaum zu ertragen. Ich war bisher erst einmal da, und diesmal wollen wir einige berĂŒhmte Gebiete besuchen und
wirklich richtig viel klettern. Buoux, Verdon, Monaco, und dann mal weiterschauen.
Die Falaise de Aigebrun in Buoux
|
So sieht unsere Reiseroute aus. Doch dann der Anruf von Michael. Er hat Probleme mit der Freundin, Liebeskummer, Beziehungsstress. Er kommt nicht mit. Und nun? Gleich werde ich hinfahren und ihn
töten. Wegen einer Frau, die ich noch nicht mal kenne! Was soll denn das? Und unser Kletterurlaub? Ich fasse es nicht und beiĂe erst mal in die Tischplatte!
FĂŒr einige Tage falle ich in eine tiefe Depression, bis ich dann rauskriege, dass Oliver kurz darauf mit seinen Eltern an die
Cote dâAzur fĂ€hrt. Mit ihm war ich im letzten Jahr ein paar mal klettern. Er hatte eigentlich genug danach. Doch wir wollen uns treffen. An einem Parkplatz in La Napoule am
Mittelmeer. Ich fahre also allein zum ursprĂŒnglich geplanten Zeitpunkt los. Wenigstens Buoux mal anschauen, etwas bouldern, mal gucken. In vier Tagen treffe ich Oliver. FrĂŒh morgens
starte ich. 1200 km alleine sind kein Pappenstiel. In einer endlosen Baustelle bei Koblenz ĂŒberlege ich, wo ich wohl abends das Zelt aufstellen werde. Das Zelt? Es durchfĂ€hrt mich
eiskalt. Shit! Ich fahre also die zweieinhalb Stunden wieder zurĂŒck und starte am nĂ€chsten Morgen einen neuen Versuch. Diesmal mit Zelt im Kofferraum. Komme auch flĂŒssig durch,
dort mal pinkeln, einmal tanken, dann mal Maut zahlen.
Apt, Camping Municipal. Staubig, laut, ein paar BĂ€ume, viele Zelte. Ich such mir eine LĂŒcke und zwĂ€ng mein grĂŒnes Kuppelzelt noch hinein. Sehe Ben Moon vorbeilaufen. Boah! Und
nach dem Kochen, es gab Nasi Goreng aus der Dose, sehr zu empfehlen ĂŒbrigens, laufen die Zeltnachbarn ein. Ich ziehe gerade eins meiner Sixpacks guten Altbiers aus dem Kofferraum.
Sie fahren gleich mit einem Bus gehöriger GröĂe und österreichischem Nummernschild vor. Auf meine Frage, ob sie wohl aus Wien wĂ€ren, erfolgte keine Antwort, sondern zwei der
AlpenlĂ€ndler lieĂen einen heftigen FuĂtritt gegen das Nummernschild los. Ein dritter erklĂ€rte mir dann, dass sie selbstverstĂ€ndlich nicht aus Wien seien, der Bus nur gemietet ist und sie
aus der Steiermark kĂ€men. Aha. Nun gut. Kurz drauf entdeckt einer meine Bierdosen und fragt mich was denn das wohl fĂŒr ein Bier ist und wo ich von her bin. Ich erklĂ€re alles, die
Jungs wollen das Bier probieren, ich bekomme im Gegenzug Rotwein, wir alle stillen unseren Durst. SpÀter erzÀhlte noch ein Amerikaner, er wohnt drei Zelte weiter, eine wilde
Story vom El Cap. Es ging so ganz grob um die angeblich erste freie Begehung der Salethé von Todd Skinner und Paul Piana, die gerade publik geworden war. Denn er kannte
angeblich den Typen, der die Fotos gemacht hatte, die wir alle im rotpunkt bestaunt hatten. Das alles machte uns so durstig, dass wir krÀftig zulangten und nachher noch einer ins Vorzelt
kotzte. Wie auch immer, ich weiĂ auch nicht mehr genau.
Wolfgang in La Marabunta 6a in Buoux
|
Am nĂ€chsten Tag fuhr ich mit den Ăsterreichern in ihrem Bus hoch nach Buoux. Dabei sah ich auch kurz die âschönste Kletterin der Steiermarkâ. Wolfgang, mit dem ich an diesem
Tag kletterte, nannte sie jedenfalls stĂ€ndig so, was ihr durchaus gefiel. Liiert war sie jedoch mit einem anderen, was den jedoch nicht kĂŒmmerte. Wir kletterten an diesem Tag
unter anderem im Sektor PGF, die La Marabunta und die Sexpistols und was weiss ich noch alles im sechsten Franzosengrad. Hab die Namen vergessen. Wolfgang entwickelte sich an diesem Tag zusehends vom eingefleischten
Alpinkletterer zum reinen Sportkletterer, den nur die Schwierigkeitsgrade interessieren. Er selber fand diese Entwicklung Ă€uĂerst bedenklich. Am spĂ€ten Nachmittag, als
wir mit den anderen zusammen ne Pause machten, traf ich flĂŒchtige Bekannte, denen ich irgendwann mal im Morgenbachtal und im Hönnetal begegnet war. Wolfgang und
ich wollten unbedingt noch ein kurzes Dach im Grad 7a knacken. Das war etwas ĂŒber unserem Niveau, der Erfolg war trotz etlicher Versuche leider auch begrenzt.
Als wir kurz nach dem vereinbarten Zeitpunkt am Parkplatz einliefen, mussten wir erschreckt feststellen, dass der Bus mit Wiener Nummernschild nicht mehr da war. Toll! Wir
hielten an der StraĂe die Daumen raus und wurden von zwei kletternden englischen Rallyefahrern in ihrem getuntem Mini Cooper mitgenommen. Die Punkmusik war mindestens
110 dB(A) laut und entsprach voll dem Fahrstil. Selten habe ich mich beim Klettern so gefĂŒrchtet, wie bei dieser Fahrt zurĂŒck nach Apt. Die Spezln von Wolfgang dachten
ĂŒbrigens, wir wĂ€ren mit meinen Bekannten schon vorausgefahren.
Am nĂ€chsten Morgen brach ich auf zur Cote dâAzur zum Treffpunkt nach La Napoule.
Ulrich Schlieper, Juli 2002
|